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Karl Weinhold, Geschäftsführer von feno, und der Lichtkünstler James Turrell im Skyspace Salzburg

„James Turrell hat mir die Augen geöffnet“

„Ich würde unheimlich gerne mehr Lichtqualität ins Auto bringen und für mehr innere Ruhe und Wohlbefinden des Fahrers sorgen“, sagt Karl Weinhold. Im Interview verrät der Geschäftsführer von feno, wie die Zusammenarbeit mit James Turrell ihn und seine Firma für immer verändert hat und mit welchen Erkenntnissen daraus er Automotive Interior Lighting auf ein neues Level bringen möchte.

Was hat James Turrell mit dir ganz persönlich gemacht?

James hat mir die Augen geöffnet. Er hat mich gelehrt, den Blick vom Technischen wegzunehmen und aufs Emotionale zu richten. James‘ Medium ist die Wahrnehmung, seine Wissenschaft die Wahrnehmungspsychologie. Ich kenne James nun seit über 20 Jahren, und noch immer erweitert sich durch ihn mein Verständnis für das, was abseits der Technik und des Messbaren liegt. James hat mein Bewusstsein für die Wahrnehmung und deren Grenzen meilenweit verschoben.

Eine Reise an die Grenzen der Physik?

Nein. Vieles, was wir wahrnehmen, existiert nicht auf physikalischer Ebene. Sondern unser Gehirn bildet es. James hat in Versuchen wie seinen Perceptual Cells bewiesen, dass Menschen plötzlich Erscheinungen wahrnehmen, Formen, Bewegungen, die im Stroboskoplicht nur vom Gehirn gebildet werden. Es ist wichtig, zu verstehen, dass es mehr gibt als nur das Erklärbare.

Es ist wichtig, zu verstehen, dass es mehr gibt als nur das Erklärbare.

Bild: Karl Weinhold und James Turrell im Skyspace Salzburg

Ist es nicht absurd, dass diese Erkenntnisse noch wenig Übertragung in alltägliche Anwendungen finden?

In der Automobilbranche wächst das Verständnis dafür, welchen Unterschied es macht, Geld für qualitativ wertvolles Licht auszugeben. Wirklich schlimm ist es im Flugzeug. Ich bin mal bewusst mit einem A380 nach Südafrika geflogen. Ich war schockiert vom Licht da drin. Einfach nur RGB-Farben, kein durchgehendes Spektrum. Klar, jede Leuchte im Flugzeug muss identisch und kalibriert sein. Aber warum stellt man nicht in jedem Passagierflugzeug zumindest ein natürliches Lichtspektrum her, in dem man sich wohlfühlen und entspannen kann? Das Wissen ist vorhanden.

Braucht es in Autos und Flugzeugen folglich einen Turrell’schen Perspektivwechsel?

Wenn man das Potenzial von Licht ausschöpfen möchte, dann unbedingt. James spricht gern von der Dinglichkeit von Licht. Also der Gegenständlichkeit von Licht. Und davon, dass Licht nicht nur enthüllt, sondern vielmehr selbst die Enthüllung ist.

Enthüllung im Auto – wie ist das zu verstehen?

Es geht um Individualität. Für die Marke und das Fahrzeug ist Individualität heutzutage ein wichtiges Unterscheidungskriterium. In einem hochklassigen Fahrzeug wählst du dir teure Hölzer und teures Leder aus – um dann ein Lichtspektrum zu benutzen, das die Farben des Leders und der Hölzer gar nicht beinhaltet? Zudem könnte man mit abgestimmten Lichtwirkungen auf die persönlichen Vorlieben des Fahrers eingehen, seinem Geschmack Ausdruck verleihen und das Markenerlebnis auf eine sehr tiefe, nicht technische, emotionale Ebene bringen. Licht kann das Markenerlebnis und den Produktwert erhöhen.

Natürliche Lichtstimmungen von feno im Automotive Interior

Licht kann das Markenerlebnis und den Produktwert von Autos erhöhen.

Zitat: Karl Weinhold

Wenn du freie Hand hättest, was würdest du im Automobil tun?

Ich würde unheimlich gerne mehr Lichtqualität ins Auto bringen und für mehr innere Ruhe und Wohlbefinden des Fahrers sorgen. Immer mit der Möglichkeit einer gewissen Individualisierung. Und mit moderner Funktion, zum Beispiel in Gefahrensituationen über das Licht zu warnen oder auf die Aufmerksamkeit des Fahrers einzugehen. Ich würde immer dafür kämpfen, die Anzahl der Monitore zu reduzieren. Und wenn das nicht geht, dann würde ich den Monitoren ein vernünftiges Licht verpassen.

Kommt Wohlbefinden nicht eher von natürlichen Lichtquellen?

Ja. Sonnenlicht, Feuer, Kerzenschein, Morgenrot, Abendrot, bewölkter Himmel, blaue Stunde… Mich interessiert es, natürliche Lichtstimmungen in Technik zu übersetzen und damit das Wohlbefinden von Menschen zu heben. All diese Überlegungen in mir hat James sehr stark inspiriert.

Können technische Entwicklungen aus den Projekten mit James dabei helfen?

Und wie. In den Skyspace-Leuchten von Turrell haben wir acht verschiedene LEDs kombiniert, um ein kontinuierliches Spektrum nachzubilden. Man stelle sich die wunderbaren Möglichkeiten im Automotive Interior vor. Noch wird Licht zu beiläufig, zu selbstverständlich betrachtet. Als Mittel zum Zweck. Aber es kommen ja bereits die ersten Automobilhersteller auf uns zu. Insbesondere die Hersteller von Luxusfahrzeugen.

Mich interessiert es, natürliche Lichtstimmungen in Technik zu übersetzen und damit das Wohlbefinden von Menschen zu heben.

Zitat: Karl Weinhold. Bild: James Turrell im Skyspace Järna.

Du hast 20 Jahre lang Turrell-Projekte umgesetzt – was hat James mit deinem Unternehmen gemacht?

Die Begeisterung für diese besonders feine, filigrane und technisch überaus anspruchsvolle Arbeit hat sich sofort übertragen und einen Schub an Motivation ausgelöst. Und es macht natürlich auch etwas mit jedem Einzelnen, Teil berühmter Kunst zu sein. Auch technologisch, weil man in solchen Anwendungen Neuland zu betreten hat. Das hat die ganze Firma feno unheimlich geprägt. Einen schnöden Dimmvorgang vom Dunklen ins Helle auch in Standardgeräten immer so umzusetzen, das man keine Stufen sieht, dass es immer dem Auge angepasst ist, dass es von tiefster Dunkelheit heraus funktioniert, ohne irgendwelche Einschaltblitze. Das war vor 20 Jahren in der Standardlichttechnik überhaupt nicht selbstverständlich. Wir haben James‘ Anspruch zu unserem gemacht.

Wir haben James‘ Anspruch zu unserem gemacht.

Bild: James Turrell während der Arbeit an den Glass Works bei feno

Wo lag die größte Herausforderung in der Zusammenarbeit mit James?

Du brauchst die unbedingte Bereitschaft, dem Künstler unvoreingenommen zuzuhören. Und du brauchst die Fähigkeit, gleichermaßen die Kunst wie die Technik zu verstehen. Es geht eben nicht immer von der Stange – oft gar nicht. Deswegen sind ja so viele Künstler und Designer zu uns gekommen. Weil sie sich das Verständnis erhofft und es hier gefunden haben. Im Endeffekt ist es im Automotive oder anderen Branchen genau so wie in der Lichtkunst. Erstmal geht es um Verständnis. Dann um Übersetzung in Technologie.

James war immer wieder phasenweise bei dir im Unternehmen, um seine Projekte vor Ort auszuarbeiten. Geht man da auf Zehenspitzen?

Als wir zum Beispiel 2016 mit ihm die ersten Glass Works gebaut haben, war hier schon etwas Aufruhr. Es lagen durchaus Bammel und Ehrfurcht im Raum, aber vor allem war es konzentrierte Arbeit. Es bedeutet einen sehr hohen Aufwand, die höchsten technischen Ansprüche zu erfüllen, die diese Kunst nun mal benötigt. Ebenso mit anderen Künstlern oder Designern wie Ingo Maurer. Doch meist hat man sich recht schnell eingegroovt. Wir verstehen uns.

Ist James nahbar?

Ja, absolut. Unbedingt. Es mag an der besonderen Beziehung liegen zwischen dem Künstler, der die Idee hat, und dem Handwerker, der ihm die technische Möglichkeit gibt. James hat mal gesagt: „Nein, du bist auch Künstler.“ Aber ich sehe mich als Handwerker. So als würde jemand Radierungen machen, und jemand anders druckt sie. Man braucht ein künstlerisches Verständnis, aber ich habe mich immer als sein Werkzeug gesehen. Es hat nie Befindlichkeiten zwischen uns gegeben. Er hat mich zu sich nach Hause eingeladen, wir haben in Mexiko, in der Schweiz, in Japan alle möglichen Abenteuer zusammen erlebt. Es war immer sehr persönlich mit ihm.

Ich habe mich immer als James‘ Werkzeug betrachtet.

Bild: Der in Licht getauchte Bahnhof Zug in der Schweiz

Gab es Schlüsselmomente, die eure weitere Zusammenarbeit beeinflusst haben?

Mehrere. Gleich das erste Projekt zum Beispiel. In Frankfurt, Tower der damaligen Dresdener Bank. Wir hatten im gleichen Gebäude zwei große Kunstprojekte gleichzeitig. Ich hatte damals die Spezifikationen darüber, wie James es programmieren und umsetzen wollte, vorab von unserem Auftraggeber bekommen. Vor Ort stellte sich heraus, dass die Skizze etwas völlig anderes war als das, was James wollte. Deswegen habe ich James gesagt: „Ich mache das für dich möglich, aber heute geht’s nicht. Weil ich darauf nicht vorbereitet bin.“ Also habe ich die ganze Nacht lang die Software komplett umprogrammiert, sodass die Lichtsteuerung am nächsten Morgen nach James‘ Vorstellungen funktionierte. Das scheint ihm imponiert zu haben. Jedenfalls haben wir kurz darauf den nächsten Auftrag erhalten. Für den fantastischen Skyspace in Japan. Der erste LED-Skyspace von James überhaupt.

Ihr sollt mal zusammen getürmt sein…

Das konnte schon mal vorkommen. Beim Projekt „Bahnhof Zug“ hatten wir das erste Mal die Gelegenheit, sehr viel Zeit miteinander zu verbringen. Bei der Eröffnungsparty mit Laudatio, ganz vielen geladenen Gästen und Sponsoren bin ich rausgegangen, um mir unser Werk in Ruhe anzuschauen. Und als ich da so auf meiner Bank saß und schaute, kam wenige Minuten später James und setzte sich neben mich, um es auch mal in aller Ruhe anzuschauen. Dann sagte er: „Wollen wir was essen gehen?“ Also sind wir was essen gegangen. Ganz woanders. Und irgendwann später wieder zurück auf die Party. Bei solchen Gelegenheiten haben wir viel über Lebensansichten, Familie und andere persönliche Dinge geredet. Also ja, er ist definitiv nahbar.

Wenn du dir das nächste Projekt mit James wünschen könntest – worauf hättest du Lust?

Ich würde mir noch mal so ein Projekt mit ihm wünschen wie Agua de Luz auf Yucatan. Mit verschiedenen Kunstinstallationen, die in derselben Umgebung unterschiedliche Anforderungen haben. Das würde ich gerne machen. Und ich würde unheimlich gerne gemeinsam mit einem Automobilisten eine James-Turrell-Version eines Fahrzeugs umsetzen.

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